Libanon: Von der Katastrophe in die Krise
Beirut liegt noch immer in Trümmern, das Land kämpft mit einer umfassenden Krise: Unsere Partnerorganisation Fair Trade Lebanon leistete mit Unterstützung aus Österreich konkrete Hilfe. (Aug. 2020)
Abschlussbericht Spendenaufruf für FT Lebanon
(März 2021) "Nochmals vielen Dank für die geleistete Unterstützung und die Geduld: Hier ist nach wie vor alles kompliziert. Die gute Nachricht ist, dass wir morgen die EZA Bestellung versenden können", mit diesen Worten leitet Philippe Adaime, Geschäftsführer von FT Lebanon, seinen Abschlussbericht zu dem von der EZA Fairer Handel lancierten und von vielen Weltläden untertstützten Spendenaufruf ein. Insgesamt konnten in nur vier Monaten 25.240,- Euro gesammelt werden, die in zwei Tranchen an FT Lebanon überwiesen wurden. Von Beginn an stand fest: Das Geld sollte für die Zusammenstellung und Verteilung von Lebensmittelpaketen für die Explosionsopfer in Beirut verwendet werden. Ein Großteil der Lebensmittel wurden von Frauenkooperatiiven und ProduzentInnen des Netzwerks von FT Lebanon bereitgestellt. Der Ankauf dieser Produkte war gleichzeitig eine wichtige Unterstützung für die ProduzentInnen inmitten dieser mehrfachen Krise, die das ganze Land erfasst hat.
In Summe wurden 320 Lebensmittelpakete im Wert von 100,- US$ zusammengestellt. Für die Verteilung wählte FT Lebanon die Zeit rund um die Feiertage Ende letzten Jahres. 320 Familien (ca. 1700 Personen) erlebten so eine schöne Weihnachtsüberraschung und wichtige Hilfe in ihrer dramatischen Lebenssituation. Die Lebensmittelpakete wurden auf Basis der Vorgaben des Welternährungsprogramms zusammengestellt, wobei Produkten aus dem eigenen Land der Vorzug gegenüber importierten Produkten gegeben wurde. Bei der Verteilung kooperierte FT Lebanon mit zwei sozialen bzw. kirchlichen Einrichtungen, dem Zentrum der Jesuiten und der Gemeinschaft Saint Vincent of Paul.
Die Lebensmittel stammten großteils von den ProduzentInnen des Netzwerks von FT Lebanon. Tomatenpaste, Hummus, Linsenaufstriche und Marmeladen etwa wurden in den verarbeitenden Kooperativen, in denen vor allem Frauen am Land Arbeit und Einkommen finden, hergestellt. Linsen, Kichererbsen, Bulgur und Olivenöl (und Seifen) wurden von libeanesischen KleinproduzentInnen angekauft und in den Kooperativen abgefüllt. So erhielten insgesamt über 90 Personen für ca. 1,5 Monate zusätzliche Aufträge und Einkommensmöglichkeiten. Unterstützt wurden sie von einem fünfköpfigen Logistikteam von FT Lebanon. Zugekauft wurde nur, was die ProduzentInnen selbst nicht liefern konnten. Somit wurde diese von Spenden finanzierte Hilfsaktion zu einem wichtigen Impuls für die ProduzentInnen von FT Lebanon inmitten der Krise.
UPDATE, Oktober 2020
Die EZA bedankt sich herzlichst für die geleistete Unterstützung! Wir sind von dieser Welle der Solidarität und Spendenbereitschaft inmitten der Covid-19 Krise überwältigt! Den Leuten von FT Lebanon erging es ebenso, wie aus der Reaktion von Phillipe Adaime ersichtlich wird – siehe kurzes Update vom 25. Sept. (unten).
Viele haben dazu beigetragen innerhalb kürzester Zeit fast € 18.500,- an Unterstützungsgeldern zu sammeln (Stand 1. Okt. 2020). € 13.700,- wurden noch im September an FT Lebanon überwiesen. Der Spendenaufruf bleibt weiterhin aktiv. Nach Rücksprache mit unseren PartnerInnen im Libanon warten wir mit der Überweisung der zweiten Tranche noch zu…
Ebenfalls in Rücksprach mit FT Lebanon wurde vereinbart, dass das gesammelte Geld in den Ankauf von Lebensmitteln primär von den Kooperativen und ProduzentInnen von FT Lebanon fließen soll, die dann an bedürftige Familien verteilt werden. Auf diese Weise unterstützen wir die ProduzentInnen von FT Lebanon und können bedürftigen Familien in Beirut hochwertige und lokal hergestellte Lebensmittel zukommen lassen. So wirkt die geleistete Unterstützung doppelt!
Viele Weltläden starteten einen Schwerpunkt mit roten Linsen. Dadurch konnte der Verkauf der Linsen in den Vergleichsmonaten verdoppelt werden und eine Bestellung für Linsen konnte vorgezogen werden.
Abschließend eine wichtige Information zu der Frage, ob es in der aktuellen Situation verantwortlich ist, Linsen aus dem Libanon zu beziehen, hier die Antwort von Phillipe: „Was die Linsen betrifft, so sind eure Einkäufe für viele ProduzentInnen hier unverzichtbar. Wir haben im Libanon vor allem eine Weizenknappheit und erhalten internationale Hilfe (Mehl und Fleischprodukte...). Aber für uns ist es sehr wichtig, die Produktion für die ProduzentInnen unseres Netzwerkes aufrecht zu erhalten.“
Beginn einer neuen Krise: Die Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut
(Bericht vom August 2020) Der krisengeschüttelte Libanon erlebt die schwerste Zeit seit dem Ende des Bürgerkrieges. Seit Monaten protestieren tausende LibanesInnen gegen eine korrupte politische Machtelite. Sie hat das Land - ehemals die "Schweiz des Nahen Ostens" - an den wirtschaftlichen Abgrund gebracht. Und sie wird für die verheerende Explosion verantwortlich gemacht, die am 4. August 2020 halb Beirut in Trümmer legte. Die Regierung ist mittlerweile zurückgetreten.
Philippe Adaime, Mitbegründer und Geschäfsführer unserer Partnerorganisation Fair Trade Lebanon, schreibt: "Ich habe die 15 Jahre des Bürgerkriegs im Libanon und die verschiedenen Kriege, die darauf folgten, miterlebt, doch noch nie ein Ereignis dieser Größenordnung! Meine Generation wird alles gesehen haben: Kriege, Epidemien, politische Attentate, Autobombenanschläge, Geiselnahmen, Währungsabwertungen und den Betrug des Jahrhunderts durch unsere Regierung, die in den letzten 20 Jahren 160 Milliarden Dollar gestohlen hat.(...) Aber eine Explosion mit etwa 2.700 Tonnen Sprengstoff, die die Hauptstadt und die umliegenden Gebiete in Sekundenschnelle in die Luft jagt, ist etwas nie Dagewesenes."
300.000 Menschen, ein Drittel von Beirut, wurden innerhalb von Sekunden obdachlos. "Mehr als 10.000 Geschäfte wurden durch die Explosion in die Luft gejagt, Einkaufszentren, traditionelle Viertel, alte Souks, traditionelle Häuser in Beirut dem Erdboden gleichgemacht."
Die Explosion am Hafen der Hauptstadt erzeugte seismische Wellen, die einem Erdbeben der Stärke 3,5 glichen. Druckwellen gingen durch die Stadt und verursachten Schäden, die in die Milliarden gehen.
"Dies ist ein Aufruf zu internationaler Hilfe, nicht nur, um das libanesische Volk zu unterstützen, sondern auch, um es von diesem korrupten Regime zu befreien, das es bis auf den letzten Pfennig und, schlimmer noch, bis zum letzten Atemzug ausgeblutet hat," so Adaime. Er ruft zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen auf. "Heute braucht der Libanon alles: Lebensmittel, Medikamente, Sozialhilfe und Wiederaufbauhilfe."
Fair Trade Lebanon stellt alle seine Teams in den Dienst dieser monumentalen Katastrophe, der Beseitigung der Schäden und den Wiederaufbaubemühungen. Die Organisation ist Teil eines Netzwerks lokaler libanesischer NGOs. "Dieses Kollektiv hat Erfahrung in den Bereichen Wiederaufbau, Ernährung, Bildung und Gesundheit – genau jene Bereiche, die jetzt gefordert sind," betont Adaime und verweist auf die langjährige Erfahrung der Beteiligten in der verantwortungsvollen Verwaltung öffentlicher Mittel.
Weitere Informationen:
- Kurzes Update von Philippe Adaime vom 25.9.2020 (pdf in Deutsch)
- Kurzes Update von Philippe Adaime vom 25.9.2020 (pdf in Englisch)
- Solidaritätsaufruf von Fair Trade Lebanon (pdf in Englisch)
- persönliche Schilderung von Philippe Adaime (pdf in Englisch)
- Rote Linsen von Fair Trade Lebanon bei uns im Online-Shop
- Fair Trade Lebanon (Partnerbeschreibung)