Sri Lanka: Kein Ende der Krise!
Während Covid pausiert, versinkt Sri Lanka immer weiter in einer massiven Wirtschaftskrise mit gravierenden sozialen Folgen. (Jän.- Juni 2022)
Am 12. Jänner 2022 erreichte uns ein besorgtes Mail von Shiran Karunaratne, Geschäftsführer und Inhaber der EZA-Partnerorganisation Gospel House Handicrafts (GHH): "Mit dieser Mail möchten wir euch über die derzeitige wirtschaftliche Situation in Sri Lanka informieren. Im Moment sind die meisten Importe verboten. (...) Hinzu kommt, dass unsere Währung an Wert verliert. Alle Lebensmittelkosten sind gestiegen. Es gibt lange Warteschlangen für Gas und einen Mangel an Milch und Weizenmehl. Die Regierung hatte ein Einfuhrverbot für Düngemittel verhängt, die Kosten für Reis und Gemüse haben sich in Folge verdoppelt." Reis und Gemüse sind die wichtigsten Grundnahrungsmittel für die Sri Lankische Bevölkerung. Entsprechend massiv sind die Auswirkungen auf die ärmeren Bevölkerungsschichten, die immer mehr Einkommen für den Ankauf lebenswichtiger Güter aufwenden müssen.
Vielfältige Gründe für die aktuelle Krise
"Gegenwärtig ist die Covid-Situation in Sri Lanka unter Kontrolle. Die durchschnittliche Infektionsrate liegt bei etwa 500 pro Tag (...). Es ist ein täglicher Rückgang zu verzeichnen, was darauf zurückzuführen ist, dass die Menschen aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage ihre Aktivitäten stark einschränken", so Shiran K. Während die Pandemie in Sri Lanka mit erstaunlich niederen Infektionsraten eine Pause einlegt, war sie ein Brandbeschleuniger für die aktuell herrschende Wirtschaftskrise. So verursachte die Pandemie einen Einbruch des für Sri Lanka so wichtigen Tourismus. 200.000 Menschen sollen allein in diesem Sektor ihren Job verloren haben. 500.000 Menschen sind in Sri Lanka seit Beginn der Pandemie unter die Armutsgrenze gerutscht. Das entspricht einem Rückschlag von 5 Jahren bei der Armutsreduktion. Zudem verschärfen hohe Auslandsschulden und ein historisch niedriger Stand an Währungsreserven die finanzielle Lage des Landes. Es steht sogar die Zahlungsunfähigkeit im Raum. Die Regierung versucht die finanziellen Probleme kurzfristig mit einer hohen Inflation (aktuell über 11%) zu bekämpfen. Diese lässt die Preise weiter steigen. Manche BeobachterInnen befürchten nicht nur eine solziale, sondern eine humanitäre Krise. So die Einschätzung des ehemaligen stellvertretenden Zentralbankgouverneurs W. Wijewardena: "Wenn sich die Wirtschaftskrise unaufhaltsam vertieft, ist es unvermeidlich, dass das Land in eine Finanzkrise schlittert. Beides wird die Ernährungssicherheit beeinträchtigen, da die Produktion zurückgeht, und die Importe aufgrund der Devisenknappheit ausbleiben. An diesem Punkt wird es zu einer humanitären Krise kommen." (Quelle: Artikel "There is no money left", The Guardian vom 6. Jänner 2022.)
Weitere Infos zu den Gründen der Krise finden sich hier.
Die Folgen der Krise für Gospel House
Als hätte die Pandemie unsere Partnerorganisationen in Sri Lanka nicht schon genug gefordert, muss sie jetzt auch noch die Herausforderungen der sich verschärfenden Wirtschaftskrise bewältigen. Für GHH bedeutet der Importstopp für viele Produkte nicht nur Verzögerungen bei der Lieferung von Farben und Verpackungsmaterial, sondern eine große, finanzielle Unsicherheit aufgrund des ungünstigen Wechselkurses und gestiegener Preise für Importprodukte. Shiran K. schildert die Folgen für seine Organisation: "Die neueste Verordnung der Zentralbank sieht vor, dass wir Exporteure gezwungen sind, US$ und Euros innerhalb weniger Tage nach Erhalt der Gelder in Rupien umzutauschen. Und das zu einem niedrigeren Kurs von 202,- LKR, während der Marktwert außerhalb der Bank bei 240 LKR,- liegt. Das führt dazu, dass die Importeure sich außerhalb der Banken Geld beschaffen, und wir hohe Preise für Rohstoffe zahlen müssen. Wir haben das Gefühl, dass wir nicht länger die Kontrolle über unsere Finanzmittel haben."
Das sind Rahmenbedingungen, auf die der Faire Handel keinen Einfluss hat. Laut Einschätzung von WirtschaftsexpertInnen muss sich Sri Lanka für die nächsten zwei Monate auf eine massive Krise einstellen. Der Bevölkerung Sri Lankas und den Wirtschaftstreibenden stehen schwierige Zeiten bevor. Shiran K. wirkt ratlos und bittet um Berücksichtigung dieser besondren Situation: "Wir werden euch auf dem Laufenden halten. Derzeit könnt ihr uns am besten helfen, indem ihr eure Bestellung frühzeitig abschickt, denn die Versandzeit auf dem Seeweg beträgt aktuell zwischen 12 bis 16 Wochen."
Die Krise betrifft nicht nur Gospel House. Weitere EZA-Partnerorganisationen aus Sri Lanka sind Selyn (bunte Stofftiere und Spielzeug aus handgewobenen Stoffen), SOFA und PODIE (beide Bio-Gewürze und Bio-Tee). Ein Kauf ihrer Produkte sind die beste Unterstützung in wirtschaftlich angespannten Zeiten wie diesen.
Die Produkte unserer PartnerInnen aus Sri Lanka finden sich hier - zum Produktüberblich von Selyn / Gospel House / SOFA / PODIE.
Update vom 17. März 2022: Mail von Srinath / Ethical Tea Company - dem Exporteur für fair gehandelten Bio-Tee von SOFA...
"Leider sind aufgrund der aktuellen Situation in Sri Lanka die meisten Geschäftstätigkeiten zum Erliegen gekommen. Wir mussten unsere Fabrik für sieben Tage schließen, weil wir keinen Diesel für den Betrieb mehr hatten. Wir planen, die Fabrik nächste Woche wieder in Betrieb zu nehmen, aber die Zukunft unserer kleinen Teefabrik ist aufgrund der hohen Treibstoff- und Rohstoffpreise und Preise für Verpackungsmaterial sehr ungewiss. Fast alle Preise haben sich um mindestens 30% erhöht. Derzeit liegt die Inflation bei über 22%. Wir gehen davon aus, dass sie bald 30% erreichen wird. (...)
Auch für SOFA bedeutet das ein sehr schwierige Situation. Sie können ihren grünen Tee nicht verkaufen, da die Teefabriken geschlossen sind, weil es keinen Treibstoff für deren Betrieb gibt. Derzeit gibt es im ganzen Land mehrstündige Stromausfälle. Es ist sehr schwierig unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Dem Land fehlen lebenswichtige Medikamente. Aufgrund fehlender Devisen wurde der Import von Elektronik, Früchten, Verpackungsmaterial, usw. verboten. Derzeit ist es schwierig die Lage richtig einzuschätzen, aber wir werden euch weiterhin informieren."
Update vom 21. März 2022: Mail von Bernard Ranaweera, Vorsitzender der EZA-Partnerorganisation SOFA
"Die Nichtverfügbarkeit von Treibstoff und Gas ist inzwischen zum größten Problem geworden und stört die alltäglichen Aktivitäten aller Menschen. Wie wir wissen, hat Sri Lanka derzeit ein Problem mit seinen Devisenreserven, so dass wir nicht genug Dollar haben, um Treibstoff und Gas für das Land zu importieren. Das Problem entstand durch den Zusammenbruch der Tourismus- und Textilindustrie unter den Einschränkungen der Covid-19-Pandemie, und die Reduktion der Überweisungen aus dem Ausland, die das Land von den ArbeiterInnen aus dem Mittleren Osten erhält. (...)
Im Moment ist der Transport unserer grünen Teeblätter zu den Fabriken kaum möglich. Außerdem sind die meisten Fabriken, Restaurants und anderen Geschäfte geschlossen, weil es keinen Treibstoff und kein Gas für den laufenden Betrieb gibt. Aufgrund des Brennstoffmangels fällt der Strom auf der ganzen Insel täglich für mehr als 4 Stunden aus, was sich direkt auf unseren täglichen Betrieb auswirkt. Auch im Inland haben wir viele Probleme, unsere Wirtschaft ist derzeit sehr instabil. Darüber hinaus steigen die Lebenshaltungskosten von Tag zu Tag. (...) Diese Wirtschaftskrise hat bereits Auswirkungen auf SOFA und seine Mitglieder.
Wir glauben, dass dieses Problem in den nächsten zwei bis drei Wochen gelöst werden wird, da wir aus den Medien erfahren haben, dass die srilankische Regierung Indien und China um Kredite gebeten hat. Wir werden euch auf dem Laufenden halten..."
Update vom 5. April 2022: Mail von Bernard Ranaweera, Vorsitzender der EZA-Partnerorganisation SOFA
"Der Mangel an Treibstoff und Gas betrifft viele Bereiche des Landes. Aufgrund dieser ernsten Probleme haben die Menschen begonnen, gegen die Regierung zu protestieren. SOFA hat daher Probleme, den Ankauf von grünen Blättern, Gewürzen und anderen Rohstoffen von unseren ProduzentInnen und deren Transport zu den Fabriken fortzusetzen.
Nichtsdestotrotz versuchen wir unser Bestes, um zumindest die wesentlichen Aktivitäten fortzusetzen, unsere Aufträge zu erfüllen, unseren ProduzentInnen einen fairen Preis zu zahlen und die diversen Prämienprojekt umzusetzen. Selbst in dieser Krise haben wir unsere diesjährige Hauptversammlung erfolgreich abgehalten.(...)
Wir tun unser Bestes, um unsere Aufträge zu erfüllen, und sind überzeugt, dass wir uns auch in dieser schwierigen Situation auf unsere langjährige Partnerschaft verlassen können. Sie ist die einzige Unterstützung, die wir haben. Wir hoffen, dass sich der Verkauf unserer Produkte auch in dieser kritischen Situation gut entwickelt und uns helfen wird, mehr Prämiengelder zu erhalten und diese Gelder zur Überwindung der aktuellen Wirtschaftskrise und anderer Probleme einsetzen zu können."
Update vom 5. April 2022: Mail von Shiran Karunaratne, Eingentümer von Gospel House
"Über das Wochenende wurde für 36 Stunden eine Ausgangssperre verhängt. In unserem Land wurde der Notstand ausgerufen. Alle bei Gospel House sind in Sicherheit und arbeiten. Unser Produktionszentrum hat zwar Generatoren, aber nur sehr wenig Treibstoff. Alles in allem nehmen wir die Situation, wie sie kommt, und versuchen unser Leben fortzusetzen. Vielen Dank für euer Interesse, und dass ihr mit uns in Kontakt bleibt!"
Update vom 17. Juni 2022: Mail von Bernard Ranaweera, Vorsitzender der EZA-Partnerorganisation SOFA
"Wie ihr wisst, ist die derzeitige Situation in Sri Lanka aufgrund fehlenden Treibstoffs, Stroms und Gas äußerst angespannt. Tausende Menschen stehen sogar um Mitternacht Schlange, um an Treibstoff und Gas zu kommen, die sie für ihre tägliche Arbeiten benötigen. Der Mangel an Treibstoffen verursacht Tag für Tag viele weitere Probleme. Außerdem wird befürchtet, dass es zu einer Lebensmittelknappheit kommen wird, die nicht so schnell behoben werden kann. Aufgrund dieser Probleme versuchen viele Menschen, das Land zu verlassen. Als Produzentenorganisation haben wir Probleme, Tee und Gewürze von unseren Produzent:innen zu kaufen und sie zur Weiterverarbeitung an die Fabriken zu liefern. (...) Es ist eine große Erleichterung für uns, dass unsere Mitglieder über genügend selbst angebaute Lebensmittel für ihren Eigenbedarf verfügen."