Mai Vietnamese Handicrafts
Khanh Thai Thi Le und My Le Phuong von MVH aus Vietnam (Juni 2009)
Khanh Thai Thi Le, Geschäftsführerin von Mai Vietnamese Handicrafts - MVH, und My Le Phuong, zuständige Verantwortliche für die Produktion, haben im Juni 2009 die EZA Fairer Handel besucht. MVH ist seit 2005 EZA-Partnerorganisation und vermarktet Handwerksprodukte von derzeit 21 Gruppen, Werkstätten und Klein(st)unternehmen aus ganz Vietnam (v. a. dem Süden des Landes). Für Khanh und My war es der erste Besuch in Österreich. Umso intensiver wurde der Besuch genützt, um sie über unsere Arbeit und den Fairen Handel in Österreich zu informieren und sich auszutauschen…
Vom Sozialprojekt zur Fair-Handels-Organisation
Die Ursprünge von MVH gehen auf ein Sozialprojekt zur Unterstützung von Straßenkindern zurück. Finanziert wurde das Projekt durch Spendengelder privater und kirchlicher UnterstützerInnen. Ziel war es, Straßenkinder sozialarbeiterisch zu betreuen, auszubilden und von der Straße zu holen. Doch nach einigen Jahren änderte sich der Fokus der Arbeit: Nicht mehr die Straßenkinder standen im Zentrum der Arbeit, sondern deren Familien. So sollten ihre Familien durch Einkommen fördernde Maßnahmen unterstützt werden, damit sie sich in der Folge besser um ihre Kinder kümmern konnten. Es folgte die Gründung der Mai Group, einer informellen Gruppe von Frauen, die Handwerksprodukte in Heimarbeit herstellen und so für die Einkommen ihrer Familien sorgen. Heute zählt die Mai Group rund 80 Personen, fast ausschließlich Frauen. Sie stellen in erster Linie Taschen, Körbe, Boxen und Bilderrahmen aus Recyclingmaterial, Textiltaschen und Weihnachtsschmuck her. Die Bezahlung erfolgt auf Stücklohnbasis, wobei alle Frauen von MVH darin geschult wurden, ihre Rechnungen selbständig zu erstellen. Die Bezahlung erfolgt auf Wunsch der Produzentinnen zweiwöchentlich bei Anlieferung der Produkte. So ist gewährleistet, dass die Familien bei kontinuierlicher Auftragslage über regelmäßige Einkommen verfügen.
Unterstützung bei der Formalisierung und Gründung von Klein(st)unternehmen
Zu Beginn der Zusammenarbeit mit MVH arbeiteten viele der ProduzentInnen in Familienwerkstätten und informellen Gruppen. Meist kommt der Erstkontakt über SozialarbeiterInnen zustande, die diese Werkstätten und Gruppen mit MVH in Kontakt bringen, um sie bei der Vermarktung der Produkte zu unterstützen. Bereits in dieser Phase sind von den Gruppen / Werkstätten Kriterien bezüglich der Qualität der Produkte, Arbeitsbedingungen und einer fairen Entlohnung einzuhalten. Im Laufe der Zusammenarbeit und bei kontinuierlicher Auftragslage unterstützt MVH die Gruppen ein formales Gewerbe anzumelden. Dadurch sind diese zu steuerlichen Abgaben verpflichtet, allerdings eröffnen sich durch die Formalisierung neue Möglichkeiten. Eingetragene Gruppen und Klein(st)unternehmen sind nicht mehr alleine auf die Vermarktung durch MVH angewiesen, sondern sind berechtigt selbst zu exportieren, ihre Produkte zu vermarkten und um gewerbliche Förderungen anzusuchen. Zuletzt ist dieser Schritt der Hien Paper Group gelungen, jener Gruppe, die die Recycling-Papierprodukte der EZA herstellt. Dieser Gruppe kam einerseits die Produktentwicklung durch MVH, andererseits die Nachfrage nach originellen Recyclingprodukten seitens der KonsumentInnen zugute. Kontinuierliche Aufträge bildeten die Basis für die Entwicklung und Formalisierung dieser Werkstätte, in der heute 80 Personen eine dauerhafte Beschäftigung bei entsprechender Bezahlung finden.
Vorteile aus dem Fairen Handel
In MVH haben die ProduzentInnen eine Vermarktungsorganisation gefunden, die sich den Kriterien des Fairen Handels verpflichtet hat. Dazu zählt die langjährige, unterstützende und begleitende Zusammenarbeit mit den Gruppen. So beschäftigt MVH zwei BeraterInnen, die die ProduzentInnen bei der Produkt- und Designentwicklung unterstützen, sie in neuen Techniken und Formen schulen, mit den ProduzentInnen Prototypen entwickeln und auf Basis derer eine faire Entlohnung der geleisteten Arbeitszeit berechnen und festsetzen. Der so erzielte durchschnittliche Monatslohn liegt je nach Gruppe, Auftragslage und Geschick der ProduzentInnen bei rund US$ 70,-, kann aber bis zu US$ 150,- betragen. Dem gegenüber steht der offizielle Mindestlohn von US$ 50,- (im städtischen Bereich) und US$ 45,- (im ländlichen Bereich). Darüber hinaus unterstützt MVH die Gruppen bei der Materialbeschaffung, durch Vorauszahlungen von bis zu 50% und zinslose Darlehen. Die Mitglieder der eigenen Produzentengruppe MAI Group erhalten zudem eine 10%ige Gewinnausschüttung am Jahresende. Auch die Gewinnverwendung innerhalb MVH ist genau geregelt: Gewinne werden in die Organisationen reinvestiert bzw. zur Finanzierung diverser Sozialprojekte verwendet. Dazu zählen Stipendien für die Kinder der ProduzentInnen wie zinslose Darlehen und Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Werkstätten. Laut My sind die positiven Auswirkungen des Fairen Handels offensichtlich: „Wir können sehen, dass die Leute unmittelbar und direkt von ihrer Teilnahme am Fairen Handel profitieren. Junge Familien sind in der Lage sich ein Stück eigenes Land zu kaufen oder bauen ihre eigenen Häuser und müssen nicht mehr mit ihren Eltern unter einem Dach leben. Andere verbessern ihre Häuser oder erweitern diese. Das alles wäre ohne ihre Einkünfte aus der Handwerksproduktion nicht möglich!“