Creative Handicrafts, Indien (Covid-19; Stand Juli 2020)
Die Frauen von Creative Handicrafts, unserer indischen Partnerorganisation in Mumbai, fertigen Kleider und Shirts unserer Modemarke ANUKOO.
Sie kommen aus den Armenvierteln der Megacity und wurden bei Creative Handicrafts zu Näherinnen ausgebildet. Dort arbeiten sie in einem wertschätzenden Umfeld, bestimmen und gestalten mit und wissen während ihrer Arbeitszeit ihre Kinder gut betreut.
Der Ausbruch der Pandemie hat alles verändert und stellt die Frauen und die gesamte Organisation vor große Herausforderungen. Die Werkstätten waren wochenlang geschlossen und sind seit kurzem teilweise geöffnet.
Wir freuen uns ungemein, dass Creative Handicrafts uns trotz der Ausnahmesituation die neuen Modelle für die Frühjahrskollektion 2021 schicken konnte. Sie werden aktuell unseren GeschäftskundInnen präsentiert.
Und wir freuen uns, dass dank des Engagements vieler Weltläden und KundInnen Lohnfortzahlungen an die Näherinnen ermöglicht wurden.
Wir sind mit MitarbeiterInnen von Creative Handicrafts kontinuierlich in Kontakt und geben Auszüge aus den Schilderungen Johny Josephs, dem langjährigen Leiter der außergewöhnlichen Organisation, wider.
Videobotschaft von Johny Joseph und aus den Werkstätten: 9.Juli 2020
Update von Johny Joseph, Ende Juni 2020
Wie ihr wisst, wurde der Lockdown bis Ende Juni verlängert und nur in bestimmten Bereichen etwas gelockert. Das bedeutete, dass es keine öffentlichen Verkehrsmittel, Züge, Flüge usw. mehr gab. Die Büros waren mit rd 10% besetzt, Geschäfte blieben weiterhin geschlossen. Einkaufszentren und alle Orte öffentlicher Versammlungen wurden geschlossen. Wir nähern uns Ende Juni und warten darauf, dass die Regierung ihren Plan für den nächsten Monat bekannt gibt. Es herrscht in allen Lebensbereichen viel Verwirrung und Unklarheit.
Auf der anderen Seite stehen wir jeden Tag vor einem neuen Rekord an Infektionen und Todesfällen in Indien. (…) Wir haben den Höhepunkt noch nicht erreicht. Es ist sehr überraschend, dass wir uns im Lockdown befanden, als unsere Infektionsrate am niedrigsten war, und dass wir aus dem Lockdown herauskommen, wenn die Infektionsrate im Steigen begriffen ist. Viele Fragen stellen sich (…)
Mumbai ist eine der am schlimmsten betroffenen Regionen. 40% aller Infizierten kommen aus Maharashtra, wobei Mumbai das Epizentrum ist. Alle Krankenhäuser sind voll, sowohl die privaten als auch die öffentlichen. Die Regierung tut ihr Bestes, um die Nachfrage nach Krankenhausbetten zu bewältigen, doch die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot. Viele Gebäude, Hotels, Stadien und Ausstellungszentren werden in Covid-Behandlungszentren umgewandelt. Ich kenne viele, die von Pontius zu Pilatus gelaufen sind, um aufgenommen zu werden. Die Behandlung sowohl für Covid- als auch für Nicht-Covid-PatientInnen ist eine große Herausforderung. Die privaten Krankenhäuser verlangen exorbitante Preise, die für die Mehrheit nicht erschwinglich sind.
Bis vor wenigen Wochen war kein uns nahestehender Mensch betroffen. Jetzt erhalten wir Nachrichten von Menschen, die wir kennen und die sich ebenfalls infiziert haben. Das ist definitiv beängstigend. (…) Drei unserer MitarbeiterInnen wurden während des Lockdowns positiv getestet. Sie haben aber alle die notwendige Behandlung erhalten und konnten mittlerweile die Arbeit wieder aufnehmen.
Creative Handicrafts ist seit dem 8. Juni teilweise offen, wobei weniger als 50% der Büroangestellten und Näherinnen arbeiten. Da es keine öffentlichen Verkehrsmittel, einschließlich Rikschas, gibt, kommen nur diejenigen ins Büro, die ein Privatfahrzeug haben. Die meisten Näherinnen wohnen in Entfernungen, die sie zu Fuß zurücklegen können und sie wollen arbeiten. Wir haben Frauen, die über 50 Jahre alt sind, gebeten, zu Hause zu bleiben. Die anderen kommen an unterschiedlichen Tagen zur Arbeit, da wir nicht in voller Stärke arbeiten dürfen. Darüber hinaus fallen einige der Nähzentren in Sperrzonen, in denen es viele Infektionen gibt. Diese bleiben geschlossen. Wir haben noch einige Aufträge für die kommende Wintersaison auszuliefern und versuchen, diese etwas zu verschieben. (…)
Insgesamt ist die Situation hier (in Mumbai, Anm. EZA) nicht sehr positiv. Mit der Unterstützung unserer PartnerInnen wie euch konnten wir den Beschäftigten die Löhne zahlen. Die Mehrheit der Armen, die GelegenheitsarbeiterInnen sind, sind jedoch drei Monate hintereinander ohne Arbeit und Lohn. Sie haben überhaupt keine Ersparnisse. Sie leben von ihren täglichen Einkünften und leihen sich Geld. Das hat ihr Leben sowohl in den Städten als auch auf dem Land sehr schwierig gemacht. Viele aus den städtischen Gebieten sind in ihre Dörfer zurückgekehrt, da sie sich dort sicherer fühlen, obwohl die Befriedigung der Grundbedürfnisse für sie weiterhin eine Sorge bleibt.
Wir hoffen, dass diese Pandemie bald ein Ende findet und sich das Leben wieder normalisiert.
Update von Johny Joseph, Ende Mai 2020
"Wir haben zwei Monate Lockdown hinter uns. Es war eine Zeit des Elends für rund 60 bis 70 Prozent unserer Bevölkerung in diesem Land. Am schlimmsten betroffen waren die Armen in den Städten, die WanderarbeiterInnen, Menschen, die aufgrund der akuten Armut ihre Dörfer verlassen. Sie alle gehören dem unorganisierten Sektor an, sie haben keine Arbeitsrechte, keinen Anspruch auf Sozialleistungen und keine Arbeitsplatzgarantie. Viele von ihnen leben in Baracken, zusammengepfercht auf engstem Raum, der ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Familien leben zu fünft oder mehr auf sieben Quadratmetern, ohne Wasser, ohne Toilette. Wenn es Alleinstehende sind es noch mehr…
Viele MigrantInnen sind in ihre Dörfer zurückgekehrt, da sie nicht in der Lage waren, die Miete für diese kleinen Räume zu bezahlen, noch dazu ohne Arbeit. Sie wollten zurück an den Ort, wo sie herkommen, weil sie sich dort sicherer fühlen…Tausende haben sich auf den Weg gemacht, ein langer Weg voller Tragödien, ihr habt davon vielleicht in den Medien gehört. (…)
Lebensmittelpakte für SlumbewohnerInnen
Diejenigen, die in den Slums zurückblieben und diejenigen, mit denen wir durch unsere verschiedenen Programme verbunden sind, haben uns um Hilfe gebeten. Wir haben eine Liste von jenen Menschen erstellt, die besonders dringend Hilfe brauchen... und wir haben sie mit Lebensmittelpaketen unterstützt. Wir müssen Prioritäten setzen, da es Tausende von armen Familien in den Slums gibt und es unmöglich ist, allen zu helfen. Wir haben beschlossen, denen zu helfen, die jetzt nichts mehr verdienen können und die in absoluter Not sind. Einige tausend Lebensmittelpakete wurden verteilt (u.a. mit Reis, Weizenmehl, Getreide, Öl, Gewürze, Zucker, Teepulver, Anm EZA). .
Lohnfortzahlungen für NäherInnen
Den Frauen, die direkt an unserem Programm zur Sicherung des Lebensunterhalts beteiligt sind und auf der regulären Lohnliste (von Creative Handicrafts, Anm. EZA) stehen, geht es besser. Wir haben ihnen ihren Lohn weiter ausbezahlt. Mit eurer Unterstützung war das viel einfacher. (Gelder des SOFORTHILFE FONDS der ARGE Weltläden wurden u.a. für diese Lohnfortzahlungen verwendet, Anm EZA). Die Frauen wollen wieder arbeiten, und wir warten darauf, dass die Sperre zumindest teilweise aufgehoben wird, damit wir mit unserer Arbeit beginnen können."
Update von Johny Joseph, Ende März 2020
„Viele Menschen hier im Land werden sehr unter dieser Krise leiden. 70 Prozent der Leute in Mumbai und anderswo verdienen ihr Geld von Tag zu Tag. Nun können sie nicht raus zur Arbeit, was das Elend zuhause vergrößern wird.
Wir sind extrem beunruhigt. Wir müssen unsere Leute, die Angestellten in den Büros und die Näherinnen bezahlen. Doch wir können nicht produzieren. Das halten wir vielleicht einen Monat durch. Aber dann? Die Frauen haben keine Ersparnisse, sie sind auf das angewiesen, was sie bei uns verdienen.“
Wir bauen auf euch
Die ANUKOO Frühjahrskollektion konnte Creative Handicrafts noch rechtzeitig an uns liefern. Doch Joseph macht sich Sorgen um die Zukunft: „Wenn die aktuellen Stücke nicht so wie vorgesehen verkauft werden können, wie wird dann das nächste Jahr werden?“ Und er appelliert: „Die ganze Welt leidet unter der aktuellen Krise, doch in unserem Teil der Welt gibt es keine Unterstützung vonseiten der Regierung. Tausende Familien in unserem Land bauen auf euch.“